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10 Jahre Innere Arbeit auf Gut Saunstorf

21. September 2020

Nach ihrem Psychologie-Studium vor fast 50 Jahren arbeitete Ulrike Porep lange Zeit als Psychotherapeutin. Vor mehr als 20 Jahren begegnete sie ihrem spirituellen Lehrer OM C. Parkin, studierte das Enneagramm der Charakterfixierung nach Oscar Ichazo sowie die Lehre des Advaita.

Sie ist heute Lehrerin der Enneallionce – School for Inner Work und versteht die Erforschung des Geistes – dieses Störenfrieds namens „ich” – als Ziel ihrer Arbeit. Ihre Gruppen sind Forschergruppen. In den Einzelsitzungen geht es um die Ausbildung des Forschergeistes in direkter Kommunikation zwischen Lehrer und Lernendem. Auf Gut Saunstorf bietet sie regelmäßig Innere Arbeit an.

Ulrike, Du begleitest die Sangha-Mitglieder und Mitarbeiter auf Gut Saunstorf mit Angeboten der „Inneren Arbeit”. Magst Du kurz erzählen, was Ihr da macht und in welchem Rahmen das passiert?

Innere Arbeit ist Selbsterforschung, die Erforschung des Geistes. Wir gehen ja zunächst einmal davon aus, dass wir wissen, wer wir sind, wir leben in geistigen Konzepten und Vorstellungen, die wir von Kindheit an übernommen und kaum überprüft haben.

Wenn sich nun eine Gemeinschaft zusammenfindet, so wie auf Gut Saunstorf vor 10 Jahren, dann treffen da sehr eigenwillige Vorstellungen vom Leben, mir selbst und anderen aufeinander, und jeder glaubt, im Recht zu sein und Bescheid zu wissen. In der ersten Zeit der Sangha gab es also eine sehr geringe Basis für Verständnis und für ein Zusammenfinden in ganz alltäglichen Dingen. Deshalb wurde neben den regelmäßigen Sanghatreffen eine offene Gruppe zur Inneren Arbeit angeboten, die dazu anleitet, den Blick von den scheinbar äußeren Problemen nach innen zu richten und die eigenen geistigen Strukturen zu erforschen.

Wir begannen mit dem Schwerpunkt auf der Arbeit zu zweit, indem jeder dem anderen eine Frage stellte, die dann in der Wiederholung in die Tiefe führte. Inzwischen treffen wir uns einmal im Monat und die sogenannten „Repeating Questions” werden nicht mehr in der Gruppe gestellt, sondern mit nach Hause genommen, wo sich dann Menschen treffen können, um mit den jeweiligen Fragen weiterzuarbeiten. In der Gruppe selber, in der zwischen 5 und 20 Teilnehmer zusammenkommen, lade ich einfach ein, sich mit einem Problem einzubringen, dem wir dann gemeinsam in die Tiefe folgen. Es ist mehr und mehr ein intimer Raum geworden, sich zu bekennen zu Hindernissen und Schwierigkeiten.

Für mich hat sich in dieser Arbeit sehr deutlich etwas verändert: Nachdem es früher oft um Anklagen und Beschuldigungen ging, wird jetzt doch der Fokus auf die eigene innere Problematik, also die geistige Haltung gelegt. Die Menschen beginnen sich selbst besser zu verstehen und damit auch andere. Das Zusammenkommen ist weniger emotional aufgeladen. Nach maximal zwei Stunden erfahren fast alle einen offenen meditativen Raum, in dem vieles gesehen werden kann. Mein Anliegen ist vor allem, die Selbstbeschuldigungen und Fremdanklagen als hinderlich für die eigene Entwicklung zu erkennen und zu beenden.

Welchen Wert misst Du der Inneren Arbeit bei, auch in Ergänzung zu Meditation, Körper-Arbeit, Darshan und anderen Angeboten?

Die innere Arbeit ist keine Ergänzung, sondern steht für sich. Innere Arbeit ist ohne eine Haltung der Meditation nicht möglich. Insofern sind Meditationsübungen und Körperarbeit sicher unterstützend und oft notwendig, um sich nach innen zu wenden. Darshan dagegen dient der großen Selbsterforschung und ist nicht mehr so interessiert an der Erforschung kindlicher Denkwelten. Da ist die Innere Arbeit tatsächlich eher eine Ergänzung, eine Brücke zwischen absoluter Wahrheit und dem Erkennen der Unwahrheit, wo es um ein Be-kennen zu den eigenen Irrtümern geht.

Gab es eigentlich in traditionellen Klöstern immer schon Angebote der Inneren Arbeit? Auch um Konflikte aufgrund des relativ engen Zusammenlebens und -arbeitens zu bearbeiten?

Auch in traditionellen Klöstern gab es Versammlungen, in denen es darum ging, geistige Fehlhaltungen zu erkennen und anzusprechen. Es gab und gibt Einzelgespräche mit dem Beichtvater, die ich als Form der Inneren Arbeit beschreiben würde.

Du schreibst gerade ein Buch über das „Innere Kind” und arbeitst zudem viel mit Menschen zu der Frage, wie wir wirklich erwachsen werden können. Hast Du das Gefühl, dass die Gemeinschaft in den vergangenen 10 Jahren diesbezüglich gereift ist?

Ja, die Gemeinschaft ist gereift. Wir haben gelernt, einander zuzuhören und den Eigenwillen als Hindernis zu thematisieren und infrage zu stellen. Der Eigenwille, das ist ja das, was ich das „Innere Kind” nenne. Wie können wir erwachsen werden, d.h. einem höheren Willen zu dienen und uns einzuordnen in ein äußeres Gefüge, das uns den Weg aus der kleinen Kinderwelt des Eigenwillens zeigt? Das ist nicht immer einfach, aber ich kann sehen, dass die Gemeinschaft da sehr unterstützend ist und Menschen sich gegenseitig helfen, durch schwierige Phasen der Entwicklung zu gehen.

Innere Arbeit, das ist für mich die Begegnung mit dem Inneren Kind. In meinem Buch, das ich schreibe, wird deutlich, dass es viel Mühe und Geduld kostet, diesem kindlichen Geist – mit dem wir uns stark identifizieren – auf die Spur zu kommen. Es braucht dazu einen interessierten Forschergeist und Entdeckerfreude. Und auch das Enneagramm und das Wissen um die eigene Fixierung kann uns eine große Hilfe sein auf dem Weg zu uns selbst.

Aus dem Klosterkurier – Jubiläumsausgabe 2020 S. 14

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