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Am 23. Juli 2021 war Vernissage auf Gut Saunstorf mit Werken der Künstlerin Nushin Morid – gefördert durch die Stiftung Gut Saunstorf – Ort der Stille und organisiert durch unseren Arbeitskreis Kunst und Kultur.

Die Kunstaustellung ist Teil der Kunst und Kulturförderung unserer gemeinnützigen Stiftung im Rahmen der Reihe Kunst aus der Stille. Über einen Monat lang wurden und werden die Werke hier am Ort der Stille ausgestellt: Gemälde, Skulpturen und Gedichte.

Im folgenden Interview berichtet Nushin Morid über ihren inneren Erfahrungsweg mit der Kunst.

Liebe Nushin, du hast über einige Wochen nun deine Werke hier am Ort der Stille ausgestellt. War dies deine erste Ausstellung auf Gut Saunstorf?

Einige wenige Skulpturen waren vor 9 oder 10 Jahren zum Wochenende „Spirituelle Gemeinschaften“ im Kloster ausgestellt. Damals war ich Schülerin von Premananda (John David), der als Lehrer mit seiner Gemeinschaft als eine der drei Gemeinschaften vertreten war. Meine Malerei stelle ich nun zum ersten Mal auf Gut Saunstorf aus. Die meisten dieser malerischen Arbeiten haben auch Corona bedingt überhaupt zum ersten Mal das Atelier verlassen.

Welchen Bezug hast du zu diesem Ort, zum modernen Kloster?

Dieser Ort ist für mich ein Ort des Herzens. Es ist der Ort, an dem ich dem äußeren und dem inneren Lehrer begegne und lerne, wie ich dem Herzen dienen kann. Hier begegne ich der Liebe und der Wahrheit, aber auch all dem in mir, was diesem im Wege steht. Es ist auch ein Ort, an dem das Unwesentliche von mir abfällt und das Wesentliche herausgeschält und sichtbar wird. Insofern ist es für mich ein Ort, der meine Seele im Innersten berührt und nährt.

Wie begann dein Weg als Künstlerin? 

Ich würde sagen, er begann als Kind. Wie viele Kinder habe ich von früh auf gezeichnet und gemalt, aber aus irgendwelchen Gründen habe ich nie damit aufgehört.

Mich interessierte früh die Stofflichkeit der Dinge z.B. der matte Schimmer einer Wachskerze oder die harten und kontrastreichen Reflektionen von Metall. Mit dem Bleistift versuchte ich das alles zu ergründen.

Ich konnte in dieser Welt der Stofflichkeit Stunden verbringen, eine Welt, in der es nur mich und das Objekt gab. Aber im Heranzoomen an das Objekt verschwand auch ich bis bald nicht einmal mehr das Objekt existierte. Es löste sich auf in abstrakte Linien, Formen und Schattierungen.

Vielleicht kann man den Zustand, den ich erfuhr, als eine einfache Form der Meditation bezeichnen. Mit Sicherheit kann ich sagen, dass die Kunst in meiner Kindheit ein Ort der Zuflucht war.

Und dann hast du Kunst studiert?

Ja. Mich hat Kunst fasziniert und berührt, wenn sie sowohl handwerkliches Können als auch einen Ausdruck der Seele preisgab. Für mich lag darin immer etwas Vollkommenes, wie eine Vereinigung von oben und unten, von Gott und Mensch. Das war mein Motiv für ein Studium, das das klassische Handwerk der Malerei vermittelte, denn der Ausdruck hat sich immer von selbst seinen Weg gesucht, aber das Handwerk fehlte.

Ich fand die Akademie Leonardo in Hamburg, die eine der wenigen Orte war, an denen noch die altmeisterlichen Techniken vermittelt wurden. Das Studium erlebte ich als eine Zeit des Aufnehmens, geradezu Aufsaugens dieser Techniken. Der eigene Ausdruck aber hatte hier keinen Raum, und so fand die Seele ihr Ventil in der plastischen Arbeit mit Ton. Autodidaktisch erforschte ich zu Hause in kleinen Figuren das Material und größere Arbeiten entstanden nach und nach.

Wie ging es nach dem Studium weiter?

Erst stand ich vor einem inneren Konflikt: Eine Trennung von Verstand und Intuition hatte innerhalb der Malerei stattgefunden. Entweder ich konnte malen wie vor dem Studium, aus dem Innersten, frei und unbedarft aber mit geringer handwerklicher Fertigkeit, oder ich konnte die wundervollen Techniken anwenden, die aber seelenlos blieben, weil ich nicht an mein Inneres herankam.

So blieb die Malerei nach dem Studium ein handwerkliches Mittel, das mir für Auftragsmalereien eine solide Grundlage bot, und sie kam in meiner wachsenden Tätigkeit als Kursleitung zum Einsatz.

Das Ausdrucksmittel meiner Seele aber blieb über lange Zeit die Tonplastik, deren Schaffensprozess ich als einen beglückenden Zugang zur Seele empfand. 

Dass die Malerei nun nach über 20 Jahren wieder in mein Leben treten würde, habe ich nicht erwartet. Ich verdanke es dem Weg mit einem Weisheitslehrer und der inneren Arbeit, die Kopf, Herz und Bauch verbindet, dass dieser Kanal sich wieder geöffnet hat und nun genau die Art der Malerei entsteht, die mich immer berührt hat.

Alle Gemälde in dieser Ausstellung sind in den letzten vier Jahren entstanden und nehmen Bezug zu Themen, die durch die innere Arbeit erweckt und erforscht wurden.

Was zeichnet deine Kunst aus?

Für mich ist sie wie ein Tor zu meiner Seele. Wenn ich mich dem zuwende, öffnet es sich und ich darf hören, sehen und fühlen. Das scheint erst einmal nur für mich oder an mich gerichtet zu sein, aber indem ich ausdrücke, was ich finde, wird es auch für andere sichtbar, hörbar und erlebbar.

Vielleicht zeichnet das meine Kunst aus: Sie ist eine Einladung an den Betrachter, mitzukommen und sich berühren zu lassen.

Welche Erfahrung hast du innerlich gemacht, deine Werke hier auszustellen?

Als ich mit den Arbeiten im Transporter nach Saunstorf fuhr, hatte ich ein Gefühl, als ob die Malerei nach Hause kommt, denn an diesem Ort, fand jedes einzelne Bild in mir seinen Anfang. 

Später sank diese Wahrnehmung eine „Etage tiefer“ und ich verstand, dass es nicht nur die Arbeiten sind, die nach Hause finden, sondern dass ich es bin, die auf eine Weise nach Hause kommt. Ich erlebe diese Ausstellung wie eine Initiation, ein Sichtbarwerden, von etwas in mir, das schon immer da war, das ich aber vermieden habe, vollständig sichtbar werden zu lassen, weil es mir zu groß erschien. Diese Ausstellung ist wie ein Beiseitetreten.

Gibt es in deinen Gemälden und Skulpturen ein Werk, welches dir besonders am Herzen liegt?

Nein. Ich bin mit jedem neuen Werk erstaunt und berührt, was und wie sich die Dinge zeigen. Es ist immer eine unbekannte Reise. Manche Reisen sind besonders, weil sie einfach und mühelos geschehen und andere sind besonders, weil sie echte Herausforderungen darstellen und in mir eine Transformation begleiten. Letztlich sind alle Arbeiten wie Zeitzeugen eines inneren Geschehens und haben dadurch für mich dieselbe Gültigkeit. Es fühlt es sich immer wie Gnade an, wenn ein neues Werk beendet ist, egal welches. Die Hindernisse sind aus dem Weg geräumt, und die Quelle darf sprudeln.

Dazu fällt mir ein Zitat von Waldemar Bonsels ein, das sehr gut den Prozess beschreibt, den ich im Atelier erlebe:

Kunst entsteht nicht aus der Mühe, sondern aus der Fülle. Der Künstler ringt nicht mit seinem Werk, sondern mit dem, was ihn daran hindert.“

Magst du uns zum Abschluss dein Lieblingsgedicht verraten?

Auch hier gibt es kein Lieblingswerk, aber es ist immer mal eins zugegen. Im Moment ist es das „Brennende Gebet“, zu dem ein gleichnamiges Bild in der Ausstellung hängt. Es ist Ausdruck einer Sehnsucht, die in mir manchmal stark aufwallt. 

Irgendwann wird es hoffentlich ein Gedichtband mit allen Gedichten geben, aber das braucht noch Zeit.

Brennendes Gebet

„Brennendes Gebet“ von Nushin Morid

Docht für Docht entzünde mich
Bis mein Herz in Flammen steht
Schlag um Schlag schmiede mich
Das Werkzeug, das zur Hand dir geht
Seite für Seite öffne mich
Bis kein Geheimnis mehr existiert
Zeile für Zeile lösche mich
Bis alle Geschichten ausradiert
Blüte für Blüte pflücke mich
Bis ich aus deiner Hand verweht
Schicht für Schicht entblöße mich
Bis nackte Unschuld vor dir steht
Stück für Stück verschenke mich
Nichts, das jemals mir gehört
Wort für Wort entleere mich
Bis Sille bleibt, die nie gestört
Schwung um Schwung poliere mich
Zum Spiegel deiner Herrlichkeit 
Ton für Ton erklinge mich
Bis ich dein OM in Ewigkeit
Tropfen für Tropfen verschütte mich
Bis Grund und Boden der Seele sich zeigt
Scheit um Scheit verbrenne mich
Bis nichts als deine Liebe bleibt

Kunstatelier NUSHIN MORID
Skulptur, Malerei, Musik 
www.morid.de